Buyboxverluste seit Ende April 2019

Seit 17.04.2019 können wir in den Amazon Suchergebnissen massive Schwankungen feststellen, die weit über das normale Maß hinausgehen. Hiervon sind bis auf wenige Ausnahmen die meisten Kategorien betroffen. Einzig Kategorien wie „Beauty“, „DVD & Blu-ray“, „Geschenkgutscheine“, „Lebensmittel & Getränke“, „Prime Video“ und „Software“ bilden hierzu eine Ausnahme.

Zunächst konnten wir uns auf diese starken Ausschläge keinen Reim machen, zumal dies sich inzwischen über fast zwei Wochen zieht.

Im Lauf der Woche erreichen uns dann vermehrt Meldungen von Händlern, die anführen, dass einer Vielzahl der von ihnen angebotenen Produkten, seitens Amazon die Buybox entzogen wurden. Bei den meisten handelte es sich um Handelsware. Obwohl sie meistens der billigste der Anbieter waren, wurde dem kompletten Produkt die Buybox entzogen, d.h. keiner der anbietenden Händler hatte mehr die Buybox.

Viele Händler berichten auch, dass ihnen im Vorfeld entsprechende emails seitens Amazon zugegangen sind, in denen Amazon ihnen einen neuen Preis vorschlägt.

Diese Mails sind soweit erstmal nichts Neues bzw. Ungewöhnliches, sondern auch in der Vergangenheit von Amazon versandt worden, um den Händler zu informieren, dass sein Preis eventuell nicht marktgerecht ist, allerdings Grund genug für uns, sich das ganze Thema mal genauer anzusehen, ob da nicht doch ein gewisser Zusammenhang zu den Buybox-Verlusten bzw. der erhöhten Volatilität in den Suchergebnissen besteht.

Zunächst haben wir uns mal willkürliche Handelsmarken vorgenommen: Makita und WMF

Marke: Makita

Aktuell haben wir in AMALYZE Shield 20.871 Produkte der Marke Makita im Tracking, wovon 13.971 über eine Sichtbarkeit verfügen. Als „sichtbar“ definieren wir all jene Produkte, welche zu mindestens einem uns bekannten Keyword ranken. Nur diese sichtbaren Produkte sind die Basis für die nachfolgenden Auswertungen. Auf amazon.de finden sich aktuell „mehr als 10.000“, so dass wir hier davon ausgehen können, dass die 13.971 Produkte in unserer Datenbank repräsentativ sind.

Anzahl der Produkte der Marke „Makita“ innerhalb der Suchergebnisse auf amazon.de

Als nächstes schauen wir uns im Rahmen unser Portfolioanalyse die Produkte von Makita an und müssen feststellen, dass seit ca. 17. April 345 Produkten die Buybox entzogen wurde, das entspricht rund 2,5% der sichtbaren Produkte:

Anzahl der Produkte der Marke „Makita“, welche über eine Buybox verfügen.

Wir greifen uns einfach mal wahllos zwei ASINs heraus, welchen in den letzten Tagen die Buybox entzogen wurde:

ASIN: B01JIOGFD4

Detailansicht der ASIN „B01JIOGFD4“ – „Makita Akku-Schlagbohrschrauber (2x Akku/Ladegerät im Transportkoffer, 170 W, 10.8 V) HP331DSAX“

Wie aus unseren Buybox-Aufzeichnungen hervorgeht, tritt der Buybox-Entzug seit 15.04. auf. Davor lagen die Preise in der Buybox zwischen 111,99 € (verkauft durch Amazon) und 149,00 € (verkauft durch Fertig SHT-Vertrieb UG). Amazon holt sich kurzzeitig 29.04. und 01.05. die Buybox zurück (steigt mit 111,99 € ein und erhöht auf 125,97 €), verliert dann aber auch wieder selbst die Buybox.

Verlauf der Preise in der Buybox.

Aktuell liegen die Preise der Anbieter zwischen 164,27 € (zzgl. 7,99 €) und 240,72 € (zzgl. 6,99 €), sind also allesamt teurer, als in der Vergangenheit. Amazon selbst scheint aktuell keinen Bestand zu haben.

Übersicht der Anbieter

Laut idealo.de liegen die Preise für dieses Produkt derzeit zwischen 107,90 € und 164,27 €; bis auf den Anbieter für 164,27 € also allesamt billiger, als der derzeit billigste Anbieter auf amazon.de

Preisvergleich auf idealo.de

ASIN: B01LYXFYLB

Detailansicht der ASIN „B01LYXFYLB“ – „MAKITA Akku-Schlagbohrschrauber 18 V – DHP484Z [Energieklasse A+]“

Wie aus unseren Buybox-Aufzeichnungen hervorgeht, tritt der Buybox-Entzug seit 29.04. auf. Davor lag der Preis in der Buybox konstant bei 110,64 € (verkauft durch SVH Handels-GmbH). Der Buybox-Entzug tritt seit dem 29.04. auf.

Verlauf der Preise in der Buybox.

Aktuell liegen die Preise der Anbieter zwischen 110,50 € (zzgl. 3,00 €) und 191,85 € (zzgl. 16,31 €); ein Anbieter mit Prime, allerdings nicht als FBA, sondern PBS (Prime by Seller/Merchant). Der Verkäufer, welcher vorher die Buybox inne hatte (SVH Handels-Gmbh) scheint aktuell keinen Bestand zu haben.

Ansicht der Anbieter

Angebot als PrimeBySeller

Laut idealo.de liegen die Preise derzeit zwischen 97,09 € und 199,00 €

Bei Google Shopping beginnen die Preise ebenfalls ab 97,09 €

Obwohl der günstigste Anbieter auf amazon.de aktuell (I&M Bauzentrum) sogar 0,14 € billiger ist (ohne Berücksichtigung der Versandkosten) als der vorherige Buybux-Inhaber (SVH Handels-GmbH), erhält keiner der aktuell 19 Anbieter die Buybox.

Interessanterweise scheint dies aber dem BSR des Produkts nicht zum Nachteil zu gereichen, der BSR stieg seit dem 29.04. (Buybox-Verlust) sogar von 9.516 (in Baumarkt) auf 7.350.

BSR Verlauf

Marke: WMF

Anzahl der Produkte der Marke „WMF“, welche über eine Buybox verfügen.

Ähnlich wie bei Makita, können wir einen massiven Buyboxverlust der Produkte von WMF feststellen: Von 4.510 Produkten im Monitoring (auf Amazon mehr als 3.000 Ergebnisse), haben 144 Produkte (3,2%) seit dem 17.04.2019 die Buybox entzogen bekommen. Auch hier betrachten wir ein zufällig ausgewähltes Produkt. Der Einfachheit halber verzichten wir teilweise auf Screenshots.

ASIN: B07847XYN4

Seit 27.04.2019 treten hier auch massive Buybox-Verluste auf. Der letzte Buybox-Preis lag bei 78,99 € und wurde von Amazon angeboten. Davor hatte Amazon für 66,00 €, 76,99 € und 79,99 € angeboten. Aktuell befinden sich auf dem Listing 21 Anbieter, der Billigste für 89,90 €.

Bei Google Shopping liegen die Preise derzeit zwischen 80,00 € und 94,90 €, bei idealo zwischen 79,97 € und 108,99 € (jeweils inkl. Versand)

Woher kommen die Vorschläge, die Amazon in den E-Mails macht?

Eine der ASINs, für die uns eine „Preisempfehlung“ seitens Amazon vorliegt, ist die B002LL2ZWC. Hier schlägt Amazon einen Preis von 6,95 € vor. Der (aktuell) günstigste Anbieter auf amazon.de ruft 13,48 € auf (Versandkostenfrei). Die historischen Preise auf amazon.de in den letzten 30 Tagen liegen zwischen 14,98 € und 13,48 €.

Bekanntermassen konnte man durch ein unverhältnismäßiges „Rumspielen“ an den Preisen, die Buybox verlieren. Davon war nicht nur Handelsware, sondern auch Private-Label Produkte betroffen. Auch ist bekannt, dass Amazon schon länger Preise im Internet mit den Angebotspreisen auf dem eigenen Marktplatz vergleicht.

In Google Shopping wird das o.g. Produkt zwischen 6,95 € (zzgl. 4,95 €) und 17,99 € (zzgl. 4,95 €) geführt. Auf idealo.de konnten wir das o.g. Produkt aktuell nicht finden.

Spannenderweise ist der von Amazon vorgeschlagene Preis (6,95€) identisch mit dem günstigen auf Google Shopping.

Was lässt sich bislang zusammenfassend sagen?

  1. Wir haben uns über 100 Handelsmarken angesehen und fast alle sind von den Buybox-Entzügen betroffen. Meistens liegt die Quote bislang bei bis zu 5%. Ob dies weiter anhält, lässt sich bislang noch nicht sagen, aber die Tendenz ist eindeutig: Täglich werden mehr Produkten die Buybox entzogen.
  2. Amazon scheint für die „Empfehlung“ des Verkaufspreises externe Angebote stärker zu berücksichtigen, so dass – obwohl keine Preisänderung auf Amazon selbst geschehen ist – es zu BB-Entzug kommen kann
  3. Wir haben die uns vorliegenden Preisempfehlungen (ca. 50 Stück) überprüft und diese decken sich ausnahmslos mit dem aktuell günstigen Angebot auf Google Shopping, wobei hier etwaige Versandkosten nicht berücksichtigt werden. Fairerweise muss man auch sagen, dass meist große Händler, wie dm, globus baumarkt, etc. hier die Preisführerschaft inne haben.
  4. Wir können abschließend nicht sagen, ob sich Amazon zunehmend an den Preisvergleichen (Google Shopping) orientiert bzw. vermehrt die großen Anbieter screened, um die Preise zu vergleichen. Aus rein ökonomischer Sicht würde es aber mehr Sinn machen, anstelle für jede Webseite von z.B. obi.de & Co. eigene Parser zu schreiben, und diese permanent an sich verändernde Seitenstrukturen anzupassen, auf Preisvergleiche wie eben Google Shopping zu setzen.
  5. Da Produkte ohne Buybox durchaus eine schlechtere Sichtbarkeit in den Suchergebnissen haben, würde der aktuell andauernde Buybox-Entzug auch die überdurchschnittliche Keyword Volatilität in den Amazon SERPs erklären.
  6. Last but not least, … das ist jetzt aber eine reine Spekulation, fällt auf, dass der Beginn dieser  Buybox-Entzüge bei Handelswaren sehr nahe an den Zeitpunkt fällt, an dem „Amazon und Google einen jahrelangen Streit beendet haben“ (s. u.a.: https://www.internetworld.de/e-commerce/google/amazon-google-beenden-jahrelangen-streit-1704077.html). Konkret geht es darum, dass sich wohl Google und Amazon geeinigt haben, ihre Streaming Angebote auf dem Device des anderen verfügbar zu machen, also YouTube erscheint wieder auf den Amazon Fire TV, dafür wir die Amazon Prime-Video-App auf Googles Chromecast zugänglich sein. Bestimmt aber nur reiner Zufall.

Was bleibt also abschließend zu sagen?

Sofern Amazon das aktuelle Vorgehen beibehält und es sich nicht um einen Bug handelt (was man ja grundsätzlich nie ausschließen kann), wird es mit Sicherheit schwieriger für die Händler. Aus Konsumentensicht hingegen – und den hat Amazon ja immer im Primärfokus – ist es natürlich ein naheliegender Schritt. Wie will man auch rechtfertigen, dass das identische Produkt auf Amazon fast das doppelte kostet wie auf dm.de?

Einige Händler berichten aber auch, dass der Wegfall der Buybox nur zu kurzfristigen Umsatzeinbußen geführt hat, was uns jetzt auch nicht weiter verwundern würde; denn wenn ich ein Markenprodukt haben will und ggfl. sogar direkt danach gesucht habe, interessiert den Kunden die Tatsache, dass er jetzt einmal mehr klicken muss wahrscheinlich nicht so sehr, als bei Private-Label-Produkten, welche aber aufgrund der schwierigeren Vergleichbarkeit deutlich weniger von der Thematik betroffen sind.

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